Deutsche Alleenstraße: von der Ostsee zum Bodensee


Es geht um die Entdeckung der Langsamkeit, jedenfalls auf dieser Ferienstraße. Am besten sollte man die Deutsche Alleenstraße in einer Pferdekutsche befahren, oder in einem Cabrio, oder auf dem Rad. Cruising, ja das ist es. Dieser englische Begriff trifft es am besten. Sanftes Dahingleiten auf der Straße, sodass Zeit bleibt zu schauen, denn die Deutsche Alleenstraße geht nicht schnurgerade wie eine Autobahn, sondern schmiegt sich in einem stetigen auf und ab, rechts und links an die Landschaft.
Deutsche Alleenstraße zum Schutz vom Baumbestand und als Kontrast zu modernen Verkehrswegen
Zu verdanken haben wir diesen außergewöhnlichen Reiseweg der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Alleenstraße e.V., die Alleestraßen pflegt und wieder aufforstet. Sie tritt gegen einen Trend der Verkehrssicherheit an, der am liebsten alle alten Bäume am Rande von Straßen fällen würde, um wild gewordenen Rasern und betrunkenen Autofahrern eine Auslauffläche zu bieten. Seit Bestehen der Arbeitsgemeinschaft wurden so schon viele wunderbare Alleestraßen gerettet.
Als Reisegeschwindigkeit wird höchstens Tempo 70 empfohlen, besser wäre 50, denn die Deutsche Alleenstraße ist Weg und Ziel zugleich. Die oft jahrhundertealten Bäume am Straßenrand werfen Licht und Schatten auf die Ferienstraße, täuschen fast ein wenig die Sinne und mit Wildwechsel muss auf dieser Strecke immer gerechnet werden.
Strecke der Deutschen Alleenstraße
Durch neun Bundesländer führt die Deutsche Alleenstraße: von Nord nach Süd, von Ost nach West. Wer sie ganz abfährt, startet in Sellin auf der Ostseeinsel Rügen und badet zum Abschluss bei Konstanz im schönen Bodensee. Das sind dann 2.900 km Ferienstraße, und wenn man die abzweigenden und alternativen Strecken mitrechnet, sind es über 5.800 km reine Natur.
Bei Wittenberg teilt sie sich zum ersten Mal, und man muss eine Münze werfen. Fährt man über Dresden, Plauen und Erfurt – oder doch lieber über Dessau und Duderstadt. Um die Qual der Wahl vollkommen zu machen: soll man sich nach dem Westen wenden, den die Deutsche Alleenstraße in weitem Bogen über Höxter, Dortmund und Bad Honnef umarmt?


Ganz gleich wie man sich entscheidet, überall ist Wunderland auf dieser Reise. Spätestens in Koblenz treffen alle Routen der Deutschen Alleenstraße wieder zusammen.
Die Deutsche Alleenstraße besteht aus insgesamt zehn Abschnitten. Aber nicht überall wachsen prächtige Bäume am Wegesrand, denn ein Teil der Alleen steckt noch in den Kinderschuhen, gerade im Süden. Aber das ist nicht weiter verwunderlich, denn ein Alleenbaum kann hunderte von Jahren alt werden. Die zehn Abschnitte der Strecke lauten im Einzelnen:
- Abschnitt 1: Rügen – Rheinsberg
- Abschnitt 2: Rheinsberg – Dessau/Wittenberg
- Abschnitt 3: Dessau – Duderstadt
- Abschnitt 4: Wittenberg – Dresden – Plauen
- Abschnitt 5: Duderstadt bzw. Plauen – Fulda
- Abschnitt 6: Fulda – Bad Kreuznach
- Abschnitt 7: Bad Kreuznach – Freudenstadt
- Abschnitt 8: Freudenstadt – Reichenau
- Abschnitt 9: Höxter – Dortmund
- Abschnitt 10: Dortmund – Bad Honnef
Von der Ostsee nach Thüringen: alte Alleenbäume erleben
Welche Strecke man letztlich wählt, liegt vielleicht auch an den Landschaften und kleinen und größeren Attraktionen, die sich dem gemächlich Reisenden präsentieren. Und das sind mehr als hier beschrieben oder auch nur erwähnt werden können.
Die Ostsee, genauer die Insel Rügen, ist ja an sich schon sehenswert, aber dann folgt durch die neuen Bundesländer eine Zeitreise. Hier gibt es den wohl den schönsten Baumbestand, teilweise noch altes Kopfsteinpflaster als Straßenbelag und eine überwältigende Landschaft.
Das Venedig des Nordens, Stralsund, will uns als erstes weglocken von der Straße und bietet seine mittelalterliche Kulisse und das berühmte siebengiebelige Rathaus zur Besichtigung an.
Aber die Straße zieht uns weiter, entlang der Mecklenburgischen Schweiz bis zur Strelitzer Seenplatte. Sie kennen das Gedicht mit dem Birnbaum? Ja, auch Ribbeck liegt auf dem Weg, und noch immer sollen die Birnen hier besonders gut schmecken.


In weitem Bogen um Berlin durchs wunderbar grüne Havelland, dann durch Brandenburg hin zur Lutherstadt Wittenberg. Alles Orte und Landschaften mit Geschichte und mit Geschichten die es zu entdecken gilt. Fast möchte man rasten und in Theodor Fontanes „Wanderung durch die Mark Brandenburg“ ein wenig schmökern. Aber die Alleenstraße lockt, und weiter geht’s.
Zuerst nach Dresden, über das man nichts schreiben muss, man muss es sehen. Die Perle sitzt wieder in der goldenen Fassung und sie ist ein Schmuckstück geworden. Wer sich an seine Jugend erinnert, der besucht auch Radebeul, und dort schmaucht er ein Pfeifchen aus Winnetous Friedenspfeife, denn natürlich führt die Deutsche Alleenstraße auch durch diesen Ort.
An der Spitze sind die Spitzen, die aus Plauen. Ja, auch die kann man sich anschauen, denn über Plauen geht es weiter und schon bald tönen die Orgelklänge Johann Sebastian Bachs im Ohr. In Arnstadt war die Musikerfamilie Bach tätig und deren musikalisches Erbe wird hier in besonderen Ehren gehalten.
Auf der Deutschen Alleenstraße weiter nach Westen
Weiter geht es über die Wasserkuppe, dort gibt es das Deutsche Segelflugmuseum zu Ehren der alten Himmelsstürmer Otto Lilienthal und den Gebrüder Wright, und die Rhön hinweg. Es ruft uns schon die Barockstadt Fulda mit Dom und malerischer Altstadt, aber die Deutsche Alleenstraße drängt und führt den Reisenden nördlich über Frankfurt am Main, durch den waldreichen Taunus, vorbei an den mittelalterlichen Festungsanlagen von Friedberg, vorbei auch an Saalburg, an dem die Römer schon Grenzanlagen und Kastelle errichteten.
Der Grenzwall, der Limes, ist am manchen Stellen restauriert worden und bietet interessante Einblicke in das Leben im Römischen Reich. Ebenso wie ein absoluter Höhepunkt auf dieser Streckenführung: Weilburg mit den 1974 entdeckten Kristallhöhlen. 350 Millionen Jahre lang lag dieses Naturwunder unberührt, jetzt sind die unterirdischen Schluchten auch für das staunende Publikum geöffnet.


Nun geht sie über den Rhein, die Deutsche Alleenstraße, und dann nach Süden, aber immer noch ohne zu hasten, schlängelt sie sich durch die dunklen Wälder der Pfalz. Wir folgen ihr durch die Weinberge bis hin zur alten Reichsburg Trifels, wo die alten Sagen und Märchen durch den wunderschönen Wald und die Alleestraßen wehen.
Bad Dürkheim will uns das größte Weinfass der Welt zeigen, und das Hambacher Schloss, nur wenige Kilometer abseits der Route, erinnert an die Geschichte der deutschen Demokratie. Ein Muss ist auch das Heilbad Bad Bergzabern, hier präsentiert sich das Gasthaus „Zum Engel“, der schönste Renaissancebau weit und breit.
Zügig zieht die Deutsche Alleenstraße weiter nach Süden. Vorbei an Karlsruhe nach Bad Wildbad mit seiner berühmten orientalischen Therme, über Klosterreichenbach und schon grüßt die Schwäbische Alb mit ihren malerischen teils barocken Dörfern und Städtchen.


Und leider schon bald endet die Deutsche Alleenstraße auf der Insel Reichenau, der Untersee-Bodensee legt sich quer in ihren Weg und wir steigen aus dem Wagen und – wir spüren es im Inneren, wir sind entschleunigt, leiser, ruhiger geworden. Aber jetzt lockt schon die Rückfahrt, mit all dem Sehens- und Hörenswertem, das uns auf der Hinfahrt entgangen ist. Zum Glück hat die Deutsche Alleenstraße zwei Straßenseiten.