Istanbul – Metropole zwischen Orient und Okzident


Die Weltstadt auf zwei Kontinenten ist immer ein besonderes Erlebnis. Als geschichtsträchtige Multimillionen-Metropole, einst Byzanz und Konstantinopel genannt, vereint sie gekonnt ihre Gegensätze. Mal ist sie beschaulich und ruhig, mal geschäftig und laut, mal historisch, mal modern – und immer hochinteressant. Während die Stadtteile Eminönü und Beyoglu die meisten Touristen anziehen, gibt es viele weitere interessante Viertel, die ebenfalls ureigene Seiten der Metropole zeigen.
Zentrum der Wahrzeichen: Eminönü
Die Bauwerke Hagia Sophia, die blaue Moschee, der Sultanspalast Topkapi und das Hippodrom sind die bekanntesten Wahrzeichen der Stadt. Und sie liegen sehr nah beieinander: im Stadtteil Eminönü, einer Halbinsel im Süden des Bosporus, der Meerenge zwischen Schwarzem Meer und Marmarameer. Dort befindet sich auch der gigantische, von vielen gern besuchte Große Basar. Reizvoll ist auch der eher überschaubare Gewürzbasar Misir Carsisi. An jeder Ecke duftet es anders, die Auswahl an Gewürzen und Pflegeprodukten ist grandios. Doch Istanbul hat außer seinem historischen Viertel noch unendlich viel mehr zu bieten.
Szeneviertel mit Shoppingmeile: Beyoglu
Nördlich von Eminönü führt die imposante Galata-Brücke über den Meeresarm „Goldenes Horn“ nach Beyoglu, früher Pera bzw. Galata genannt. Der Stadtteil wurde im 13. Jahrhundert als genuesische Handelskolonie gegründet. Hier steht ein weiteres Wahrzeichen, der Galata-Turm, nachts spektakulär beleuchtet. Von seiner 61 m hohen Plattform, wo sich auch ein Restaurant befindet, genießt man einen wundervollen Rundblick. Auch die Türkei hat ihren “Münchhausen”. Im 17. Jahrhundert soll hier ein obskurer Bastler mit Ikarus-Flügeln gestartet, und auf der asiatischen Seite der Stadt sanft gelandet sein.
Neben der Galata-Brücke befindet sich der interessante Fischmarkt von Karaköy, eines der ältesten Viertel von Beyoglu. Das Stadtbild hat ein ganz besonderes Flair, geprägt vom Wechsel zwischen neu und antik. Istanbul Modern, das Museum für zeitgenössische Kunst, liegt in einer runderneuerten Lagerhalle am Hafenkai und bietet Installationen auf 8.000 qm Ausstellungsfläche.
Die altbewährte Süßspeise Baklava, Blätterteig mit Honig und Nüssen, ist in Karaköy mit dem Namen Güllüoglu synonym. Die erfolgreiche Bäckerei in der Mumhane Caddesi stellt Baklava seit 1881 auf traditionelle Weise her und bietet nun sogar eine Diät-Version an.
Beliebt bei Künstlern und Literaten ist die Tavernengasse im nahen, kleinen Viertel Asmalimescit. Das Sofyali, ein griechisch-türkisches Lokal auf fünf Etagen zieht vor allem die Jugend an. Die Preise sind verträglich, das Essen beliebt.
Eine bereits 1875 in Betrieb genommene U-Bahn, die Tünel-Bahn, verbindet Karaköy mit dem 200 m höher liegenden Rest von Beyoglu – eine angenehme Alternative zum Aufstieg per pedes. Auch nach der Eroberung der Stadt durch die Osmanen im 15. Jh. blieb Beyoglu ein westlich geprägtes Wohnviertel mit ebensolchem Nachtleben. Der Nardis Jazz Club, nahe dem Galata-Turm, ist wie ganz Istanbul Meister im Zusammenführen von Gegensätzen: Hier hört man Fusion- und Ethnojazz, und auch das Essen ist ein Genuss.
Schon 1492 ließen sich in Beyoglu die aus Konya stammenden tanzenden Derwische nieder. In ihrem Mevlevi-Kloster (Divan Edebiati Müzesi) erinnert heute ein Museum an deren Geschichte und Religion. Jeden zweiten Sonntag kann man Aufführungen der Tänzer bewundern. Ihr tranceartiger Tanz mit sehr vielen Drehbewegungen ist Ausdruck ihres Glaubens: Sie halten eine Hand nach oben, um das göttliche Licht zu empfangen, die andere nach unten, um es an die Erde weiter zu leiten.
Die Istiklal Cadessi ist Beyoglus Hauptschlagader, die Einkaufsstraße einer Weltstadt. Links und rechts sind kulinarischen Leckerbissen, Avantgardekinos und Clubs zu finden. Hier schläft die Stadt nie. Das von jahrhundertealten Bauten geprägte Stadtbild – selbst die historische Trambahn ist wieder in Betrieb – verwandelt sich nach Sonnenuntergang in das Neon-beleuchtete Zentrum des Nachtlebens.
Nördlich von Beyoglu kommt man in den Stadtteil Besiktas, wo man noch viele Paläste aus osmanischen Zeiten besichtigen kann. Grüne Lunge des Stadtteils ist der große Yildiz-Park, der mit Weihern, Pavillons, Picknickplätzen und schöner Aussicht auf den Bosporus besticht. Sultan Selim III. liebte den Park so sehr, dass er seiner Mutter das Schlösschen Yildiz bauen ließ. Eine alte Porzellanfabrik kann dort ebenfalls besichtigt werden.
Jüdische Viertel: Fener und Balat
Wieder auf der Südseite des Goldenen Horns, westlich von Eminönü, befinden sich die charmanten Wohngegenden Fener und Balat, wo man relativ wenig Touristen antrifft. Im Gegensatz zu den lebhaften Straßen von Eminönü und Beyoglu findet man hier noch idyllische, ruhige Plätze mit unzähligen, kleinen Lädchen. Kindern, die unbeschwert auf der Straße spielen, zeigen ein anderes Gesicht der Weltstadt. Große, mit EU-Geldern geförderte Sanierungsarbeiten sind zurzeit im Gange, die das von der UNESCO geschützte Weltkulturerbe dieser historischen Bezirke erhalten helfen.
Im geschäftigen Balat wohnen viele Menschen, deren jüdische Vorfahren Ende des 15. Jahrhunderts aus dem christlichen Spanien vertrieben wurden. Daher findet man neben griechischen Kapellen auch einige Synagogen. Die schönste und älteste Synagoge der Stadt ist die Ahrida Synagogu aus dem 15. Jahrhundert. Auffallend sind die Holzmalereien der Kuppel aus dem 17. Jahrhundert, sowie die Teva, eine Gebetskanzel, die einem Schiffsbug nachempfunden ist und an die Arche Noah erinnern soll. Auch eine der ungewöhnlichsten Kirchen der Stadt befindet sich hier – die griechisch-orthodoxe Bulgar Kilisesi. Sie besteht ganz aus Schmiedeeisen, die Teile wurden in Wien gegossen und über die Donau und das Schwarze Meer 1893 nach Konstantinopel verschifft.
Fahrt auf dem Bosporus
Vergangenheit und Gegenwart existieren am Bosporus nebeneinander. Beginnend bei Eminönü mit all seinen Wahrzeichen schippert man nach Norden, vorbei an Beyoglu und den ehemaligen Bosporus-Dörfern Ortaköy, Arnavutköy und Bebek. Ihr beschauliches Flair steht in Kontrast zu den nahen Glamour-Vierteln Levent, Etiler und Ulus. Touristen shoppen in den Kopfsteinpflastergassen von Ortaköy, oder flanieren durch das malerische Arnavutköy, oder gehen auf Promi-Schau in Bebek.
Nächste Station ist die „Festung Europa“ ein Bollwerk von Mehmet dem Eroberer aus dem 16. Jahrhundert, an dessen gewaltigen Mauern sich Cafés aneinanderreihen.
Weiter nördlich kommt man an Emirgan vorbei, wo man wunderschöne Natur und gepflegte Parks bestaunen kann. Die Bucht von Cayirbasi ist mit 3,3 km die breiteste Stelle des Bosporus. Fuhr man eben noch an modernen Villen vorbei, wechselt das Stadtbild nun wieder zu dörflicher Bescheidenheit.
Ein Katzensprung von Europa nach Asien
Mehrere gewaltige Brücken überspannen den Bosporus und verbinden Europa mit Asien – als Andenken kann man sich die Überfahrt sogar per Stempel im Pass vermerken lassen. Vom Hafen aus sieht Kadiköy, ganz im Süden des Bosporus auf östlicher Seite, besonders einladend aus. Der prunkvolle Bahnhof war der legendäre Endpunkt der Bagdadbahn.
Älter noch als Byzanz, ist Kadiköy heute das In-Viertel der asiatischen Seite – wie in Beyoglu gibt es auch hier eine historische Trambahn und ein pulsierendes Nachtleben. Gegenüber von Beyoglu folgt Üsküdar, wo ein weiteres Wahrzeichen zu finden ist: Der Kiz kulesi (Mädchenturm oder auch Leanderturm genannt), ein ehemaliger Leuchtturm im Bosporus, in dem sich heute Restaurant und Cafe befinden. Weiter nördlich folgt Cengelköy ein malerischer Ausflugsort mit ländlichen Charme. Der zentrale Dorfplatz mit seinen alten Platanen lädt zum Verweilen und Tee trinken ein. Im nahen Kanlica ist es ein Muss, die dort seit Jahrhunderten produzierte, köstliche Joghurtspeise zu probieren.
Von Beykoz aus gelangt man leicht zu einer der vielen Kuriositäten Istanbuls: dem „polnischen Dorf“ Polonezköy. Um 1840 wandte sich der polnische Staatsmann Adam Czartoryski, nach dem gescheiterten Aufstand seines Landes gegen die Russen, an den osmanischen Sultan. Dieser erlaubte ihm und etwa 10 polnischen Familien die Gründung des Dorfes. Heute noch wird dort polnisch gesprochen, die Häuser passen eher in die Karpaten als nach Anatolien. Die Siedlung wuchs und wurde zum beliebten Tagesausflugsziel, da sie von idyllischen Wiesen und Hügeln umgeben ist. Die Luft ist klar, die polnischen Grillspezialitäten sind ein Genuss.
Verbannungsort und Naherholungsziel: die Prinzeninseln
Zur byzantinischen Zeit waren die Prinzeninseln im Marmarameer ein Ort für Geächtete. Der Name leitet sich wahrscheinlich von Prinzen ab, die dorthin verbannt wurden. Es gibt Vermutungen, dass die verbannten Prinzen bei den abgeschiedenen Mönchsgemeinschaften unter-gekommen seien. Mit Entstehen der Dampfschiffe wurden die Prinzeninseln besser erreichbar, was dazu führte, dass sich die Istanbuler Oberschicht dort Sommerresidenzen baute. Heute sind die Inseln nur ca. 50 bis 90 Minuten Schifffahrt von Eminönü entfernt und ein beliebtes Naherholungsziel für die Städter.
Von den insgesamt neun Eilanden sind vier bewohnt. Sie sind autofrei und voll üppiger, mediterraner Vegetation, die man zu Fuß, Fahrrad oder Kutsche erkunden kann. Auch die Jugendstilvillen aus der vorletzten Jahrhundertwende, viele unter Denkmalschutz, sind einen Blick wert. In den Fischrestaurants lässt es sich sehr gut speisen. Die größte und beliebteste Insel ist Büyükada, eines der Exile von Leo Trotzki, wo sich das im 10. Jahrhundert gegründete Georgskloster Aya Yorgi befindet. Auf Heybeli steht ein griechisch-orthodoxes Kloster (Aya Triada) sowie die Einrichtung der türkischen Marineakademie. Auf Kmah lebt eine große armenische Gemeinde mit ihrer Kirche Surp Kirkor Lusavoria. Burgaz wird vorwiegend von Griechen bewohnt und ist zu Fuß schon in zwei bis drei Stunden zu umrunden.
Wasserspeicher einer Weltstadt – die Belgrad-Wälder
Nördlich der Stadt auf europäischer Seite befindet sich das große Waldgebiet Belgrat Ormani. Dort ist die Hektik Istanbuls völlig verflogen, daher kommen Ausflügler gern hierher. Am Waldrand in Bahceköy wird man vom deutschen Gasthaus des Ehepaars Atiker erwartet. Nach den großen Portionen von Schnitzeln und Sauerkraut ist ein Spaziergang im Wald genau das Richtige.
In den Belgrad-Wäldern kann man wunderbar an Teichen und Teegärten picknicken. Der Name stammt von serbischen Ingenieuren und Handwerkern, die von Sultan Süleyman nach der Eroberung Belgrads dort angesiedelt wurden, um die Wasserzufuhr für Konstantinopel zu sichern. Schon Römer und Byzantiner nutzen die Wasserquellen des Waldes und leiteten das kühle Nass über Aquädukte in die Stadt. Reste der antiken Anlagen sind heute noch zu bestaunen, und das Gebiet dient immer noch als Wasserspeicher Istanbuls.
Türkische Badefreuden
Wer nach einem Tag im Trubel der Stadt eine Möglichkeit zum Abschalten sucht, sollte ein Hamam aufsuchen. Die Tradition dieser türkischen Badehäuser reicht bis ins Mittelalter zurück. Viele der über 100 Istanbuler Hamams stammen aus jener Zeit, wie zum Beispiel das Cedik Pasa Hamami (Hamam Cad. 67) aus dem Jahre 1475. Das 1734 erbaute Kadirga Hamami (Piyerloti Cad. 82) ist eines der authentischsten Bäder und vielen Touristen noch unbekannt. Die Gebäude sind meist von außen schlicht, doch innen mit prunkvollem Marmor ausgestattet. Nach einem normalen, ca. zweistündigen Hamam-Besuch ist man wunderbar entspannt – und fit für das quirlige Stadtleben.
Wer doch noch ein wenig mehr Wellness braucht, kann das nur 24 Seemeilen entfernte Yalova am Marmarameer besuchen. Bekannt ist der Ort für seine Thermalquellen, die schon in der Antike benutzt wurden. Sogar Kaiser Konstantin soll sie aufgesucht haben. Heute sind die Thermalbäder sehr gut ausgebaut und zählen zu den besten in Kleinasien.
Im Sommer zieht es die Istanbuler zu Tausenden nach Kilyos, einem Badeort am Schwarzen Meer, nördlich der Belgrad-Wälder. Das Strandleben von Solar Beach ist eine einzige Party mit Animationsprogramm und Musik bei Tag und Nacht. Ruhiger geht es am Strand von Dalia zu, beim Nachbarort von Kilyos, Demirciköy. Das Pendant auf asiatischer Seite ist Sile, ein Ort mit feinen Sandstränden und schönen Felsformationen. Die Anfahrt von Istanbul ist zwar etwas länger (ca. 90 Minuten), dafür gibt es preiswerte Pensionen.