Kreta: Inselurlaub einmal anders


Griechenlands größte Insel ist vielen Urlaubern in erster Linie ein Begriff als sonnenwarmes Badeziel. Doch wer nur an Strände und einige historische Besichtigungspunkte denkt, hat Kretas Zauber noch nicht kennen gelernt.
Jenseits von Strand und Meer
Die Kapelle vor uns ist in keinem Wanderführer verzeichnet. Sie liegt irgendwo in der Nähe des großen Flusses im Süden der griechischen Mittelmeerinsel, am Ausgang der von fünf Quellen gespeisten, wildromantischen Kroutaliotiki-Bucht, unweit einer alten venezianischen Brücke. Der Thymian duftet stark im gerade aufkeimenden Frühling. Die ersten Blumen zaubern ein romantisches Feld. Und von der anderen Seite der Berge klingt das Geblöke frisch geschorener Schafe.
Solche unverhofften Entdeckungen gehören zu den kleinen und großen Abenteuern, die es auf Kreta zu erleben gibt. Und mögen noch so viele Kulturreisende glauben, das ganze kunsthistorische Erbe von den Minoern bis hin zu den antiken Besatzern zu kennen… Gerade die Gebirgslandschaft dieser größten griechischen Insel fasziniert Naturliebhaber, Wanderer und Hobby-Botaniker. Abenteurer bezwingen unwegsame Schluchten und unbekannte Berge. Ruhesuchende genießen den Schatten einer Steineiche und kühlen ihre heißgelaufenen Füße im kalten Wasser eines ruhig dahin murmelnden Bächleins. Und Kulturreisende wandeln nach wie vor auf den Spuren neolithischer und antiker Völker.
Agía Galini zum Beispiel, ein malerisches, beschauliches ehemalige Fischerörtchen an der Südküste Kretas, bietet sich als Ausgangspunkt für Wanderungen und Entdeckungsfahrten mit einem Jeep oder dem Motorroller an. Von hier aus ist es nur ein Katzensprung in östlicher Richtung zu den einstigen Hippiehöhlen Matalas oberhalb einer reizvollen Sandbucht.
Reizvolle Landschaften
Ein Abstecher nach Spili lohnt nicht nur wegen der landschaftlichen Reize: Spezialität dieses Ortes ist Joghurt mit Thymianhonig. Was dank der sämigen Konsistenz des Joghurts rascher sättigt als erwartet.
Weiter gen Westen zählt das sehenswerte Kloster Preveli zu den Attraktionen des kretischen Südens. Nur eine halbe Stunde Fußmarsch davon entfernt, gilt es, einen besonders zauberhaften Platz zu entdecken: die landschaftlich reizvolle Palmenschlucht an einer Flussmündung – sehr beliebt als Badeplatz. Schließlich harren im Landesinneren noch die minoischen Ruinen von Phästos auf den Besucher.
Die bekannteste Wanderung führt durch die Samaria-Schlucht, die nicht ganz ohne ist. Nach diesem anstrengender Fußmarsch kehrt man in einer jener landestypischen Tavernen ein, in denen die Qualität im Kochtopf über Wohl und Wehe des Wirtes bestimmt. Mehr zumindest als das Ambiente des Lokals. Insider treffen sich inmitten der engen Gassen von Agía Galini beim Wirt Giorgos. Der zum Beispiel schenkt in seiner Taverne „Faros“ nur Wein aus, den er auch selbst gekeltert hat. Und sein – selbstverständlich selbst gebrannter – Raki rinnt mild und warm durch die Kehle. Geschätzt sind seine Fische auch bei den Einheimischen. Giorgos trägt den Beinamen „Votdoulos“, was so viel heißt wie „einer, der alles isst und nichts stehen lässt“.
Wenn der Wirt lustig ist, verzehrt er schon mal ein paar Rote Barben komplett mit Schwanz und Kopf auf einen Satz. Aber berühmter soll er wegen des gefühlvoll getanzten „Zeibekiko“ sein, den er nur dann tanzt, wenn er besonders guter Laune ist. Dann holt er das Transistorradio von der Küche ins Lokal, und seine Beine und Hände erzählen rhythmische Geschichten, die nur Giorgos selber kennt. Wenn dann die Gäste vor lauter Begeisterung Teller auf die Tanzfläche werfen oder sie sich auf dem eigenen Kopf zertrümmern, dann spürt auch der nüchternste Urlauber, dass er hier „Kreta live“ erlebt.
Reisezeit
Kreta ist ein Urlaubsziel für das ganze Jahr. Es gibt nur zwei Jahreszeiten: den langen, regenlosen heißen Sommer von Mai bis Oktober und den milden, regenreichen Herbst/Winter/Frühling von November bis April. Besonders schön ist die Insel im Frühjahr bis Anfang Juni, wenn alles grünt und blüht. Badeurlauber genießen Sonne und Wasser bis Ende Oktober. Im Winter bedeckt Schnee die bis zu 2.564 Meter hoch ragenden Gipfel des Gebirges. Doch an den Küsten herrschen angenehme zehn bis 18 Grad.
Wandern durch die Samaria-Schlucht
Die 13 Kilometer lange Samaria-Schlucht ist so beliebt, dass sie ob der Menschenmassen eigentlich schon nicht mehr schön ist. Europas Grand Canyon lockt Jahr für Jahr zigtausende Touristen an. 1500 sind es oft an einem Tag, die ihren Weg zwischen den steilen Felswänden suchen. Dennoch: Die Samaria-Schlucht ist ein Naturparadies. Vor allzu stürmischer Begeisterung sei gewarnt. Diese Schlucht hat es in sich. Sie ist nicht nur ein Schlauch, sondern bisweilen auch gefährlich.
Vor ein paar Jahren mussten zwei junge Engländer ihr Leben lassen, weil ein Gewitterregen den zahmen Gebirgsfluss urplötzlich in einen reißenden Strom verwandelt hat. Gute und sichere Ausrüstung sind also ein absolutes Muss. Fünf Stunden sind Samaria-Rekord. Das stachelt auch manche Gruppe zu mehr Leistung an, als der mitunter untrainierte Körper zu geben bereit ist. Sechs bis sieben Stunden sollte man bis zum Kai des malerischen Fischerdorfs Agía Roumeli in etwa veranschlagen.