Insel Sylt: Spagat zwischen naturbelassener Idylle und touristischer Mondänität


Zwischen Nordsee und Wattenmeer liegt die nordfriesische Insel Sylt, mit einer Fläche von rund 99 qm ist sie die viertgrößte deutsche Insel; sie gehört zum Bundesland Schleswig-Holstein und beherbergt mit List die nördlichste Gemeinde Deutschlands. Die Küstenlinie von Sylt mit dem Nehrungshaken „Ellenbogen“ im Norden, dem östlichen Geestkern in der Mitte und der langen Südspitze bis Hörnum ist so markant, dass man die Insel bereits am Umriss erkennt.
Tourismus auf der Insel Sylt
Die touristische Entwicklung auf Sylt begann 1855 mit dem Seebad Westerland, in dem Kuren gegen Herz-Kreislaufbeschwerden und Atemwegserkrankungen durchgeführt wurden; heute ist die Insel Sylt überwiegend als Freizeit- und Urlaubsziel bekannt. Ein großer Entwicklungsschub für den Fremdenverkehr erfolgte durch die Einweihung der Bahnlinie über den Hindenburgdamm im Jahr 1927 als dauerhafte Anbindung an das Festland. Bekannte Sehenswürdigkeiten auf der Insel Sylt sind neben der Steilküste mit den Kliffs historische Gebäude wie Kirchen, Friesenhäuser und Leuchttürme sowie frühzeitliche Bodendenkmäler.
Großsteingrab der nordischen Megalithkultur
Der Denghoog („Thinghügel“) ist ein ca. 6.000 Jahre altes Großsteingrab unter einem Erdhügel bei Wenningstedt; die 1868 entdeckte Grabanlage gehört der nordischen Megalithkultur an und zählt zu den größten Steingräbern in Nordwesteuropa. Das Grab besteht aus einem ca. 6 m langen und 1 m hohen Gang, der zu einer ovalen Grabkammer mit rund 5 m Länge und 3 m Breite führt; diese Kammer hat drei Abteilungen und weist eine mittlere Höhe von 1,8 m auf. Die gesamte Anlage mit 12 Tragsteinen und drei riesigen Decksteinen ist aus eiszeitlichen Findlingen aufgebaut, die alle aus Schweden stammen; der schwerste Deckstein wiegt ca. zwei Tonnen. In der Grabkammer wurden eine Feuerstelle und menschliche Knochen entdeckt, daneben gab es noch Steingeräte, Keramikscherben und Bernsteinperlen; diese Funde deuten darauf hin, dass es sich bei dem Denghoog um das Grab eines Königs handelt.
Tinnumburg als frühgeschichtliches Bodendenkmal
Die Tinnumburg, auch „Borig“ genannt, ist ebenfalls ein bedeutendes frühgeschichtliches Bodendenkmal, sie befindet sich ca. 1 km westlich von Tinnum. Die kreisförmige Wallanlage mit 120 m Durchmesser hat einen Umfang von rund 440 m, der Ringwall ist bis zu 7 m hoch; die Basis der Burg liegt bei 2 m, die Entstehung der Anlage wird ungefähr auf die Zeit um Christi Geburt datiert. Die Tinnumburg wird von einem Prielstrom, der Marsch und einem kleinen See („Döplem“) umgeben, im Osten und Süden führte jeweils ein Tor in das Innere der Anlage; es wird vermutet, dass die Burg zur Wikingerzeit einen Zugang zum Meer besaß. Mehrere Grabungen in den Jahren 1870, 1948 und 1976 ergaben, dass es sich bei der Tinnumburg um eine germanische Kultstätte handelt, die nach einer längeren Pause erst wieder im 8. bis 10. Jahrhundert genutzt wurde; aus dieser Zeit stammt auch der heute sichtbare Wall, die innere Bebauung mit Sodenwandhäusern bildet den Übergang zu den ersten frühmittelalterlichen Siedlungen auf Sylt.
Altfriesisches Haus in Keitum
Das beste Beispiel für nordfriesische Wohnkultur des 18. Jahrhunderts ist das Altfriesische Haus in Keitum. Das Gebäude wurde 1739 als Bauernhaus errichtet und im Jahr 1784 in den heutigen Zustand umgebaut, die Wände sind aus Backsteinen gemauert und das Dach mit dem typischen Reet gedeckt. Das Haus zeigt die früher übliche Aufteilung mit Kellerkammer, Küche, Schlafstube, Wohnstube und Pesel, die Räume sind gefliest oder mit einer Holzvertäfelung versehen; die Einrichtungsgegenstände sind alle noch im Originalzustand aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Das Altfriesische Haus war der Wohnsitz des bekannten Sylter Chronisten Christian Peter Hansen, bis er das Anwesen 1907 an den Heimatverein „Söl’ring Forlining“ verkaufte.
Heimatmuseum Sylt
Dieser Verein betreut auch das Heimatmuseum Sylt, das ebenfalls in Keitum zu finden ist; der Museumsstandort ist ein altes Kapitänshaus aus dem Jahr 1759, der Eingang wird von zwei Unterkieferknochen eines Finnwals gebildet. Im Inneren sind zahlreiche Funde aus Hünengräbern, alte Sylter Trachten und Wandfliesen ausgestellt; daneben findet man Schränke und Standuhren, Porzellan, Tabaksdosen und historische nautische Instrumente, selbst ein Grabstein ist hier zu besichtigen.
Seefahrerkirche St. Severin in Keitum
Eine weitere Sehenswürdigkeit in Keitum ist die alte Seefahrerkirche St. Severin aus dem frühen 13. Jahrhundert. Der romanische Bau besitzt einen Sockel aus Granit, die oberen Teile sind aus Back- und Tuffsteinen gemauert; der Kirchturm im spätgotischen Stil wurde erst im Jahr 1450 angebaut, er diente bis 1803 als Gefängnis. Das älteste Stück der Kirche ist der romanische Taufstein aus dem Ende des 12. Jahrhunderts; der geschnitzte Flügelaltar mit Tafelbildern stammt aus dem 15. Jahrhundert, die Renaissance-Kanzel wurde 1580 errichtet. Bekannt ist die Kirche auch für die Klangfülle ihrer Orgel (gebaut 1787), es finden hier regelmäßig Konzerte statt. Bis zur Errichtung von Leuchttürmen diente der Kirchturm von St. Severin den Seefahrern zur Orientierung.
Leuchtturm Kampen
Der älteste Leuchtturm auf Sylt und gleichzeitig das Wahrzeichen des Ortes ist der Leuchtturm Kampen, der offiziell als Rote-Kliff-Feuer bezeichnet wird; die Sylter nennen ihn einfach „Christian“. Der 40 m hohe Turm ist aus Bornholmer Klinkern gemauert, die Wandstärke am Fuß beträgt 2 m (Durchmesser 8 m). Im März 1856 wurde das Leuchtfeuer erstmals in Betrieb genommen; mit einer Reichweite von mehr als 25 Seemeilen gehört es zu den größten Feuern im Nordseeraum. Im Jahr 1857 wurde das Bauwerk durch ein Korsett aus Eisenringen zusätzlich stabilisiert, und mit einem Anstrich 1953 erhielt der Turm sein markantes schwarz-weißes Erscheinungsbild; leider ist eine Turmbesteigung heute nicht mehr möglich.
Rotes Kliff Sylt – markante Steilküste
Namensgebend für den Kampener Leuchtturm war das Rote Kliff, eine 4 km lange und bis zu 52 m hohe Steilküste zwischen den Orten Wenningstedt und Kampen an der Westküste von Sylt. Das Material der Abbruchkante besteht aus eiszeitlichem Geschiebelehm, der während der Saale-Eiszeit hier abgelagert wurde. Die enthaltenen Gesteinsarten (Rhombenporphyr, Rapakivigranit) erlauben eine exakte zeitliche und regionale Einordnung der Herkunft; die intensive rötliche Färbung beruht auf der Oxidation eisenhaltiger Bestandteile. Die markante Steilküste ist einzigartig innerhalb aller friesischen Nordseeinseln, so dass das Rote Kliff jahrhundertelang für die Seefahrt ein Erkennungszeichen der Insel Sylt war – und auch heute noch ist.