Zypern Reise: Die Insel der Mythen und Götter


In der Nacht haben wir nur das Rauschen der Wellen gehört, geahnt, dass da unten das Meer ist. Der erste Blick aus dem Hotelzimmer am nächsten Morgen gibt die Gewissheit. Das azurblaue Wasser lässt das Herz schneller schlagen. Am Strand von Pissouri ist die Ruhe des Morgengrauens zu spüren. Bis sich hier die Touristen bräunen oder beim Jet Ski den Puls in die Höhe jagen, vergehen noch mindestens drei Stunden.
Mehr als 320 Sonnentage hat das schroffe Eiland im Jahr und gehört damit sicher zu den sonnenreichsten Flecken. Jeder vierte Zypriote lebt mittlerweile direkt oder indirekt vom Tourismus. Die drittgrößte Insel im Mittelmeer hat Reisenden viel mehr zu bieten als gutes Wetter, Strand und Meer. Sie ist vor allem ein Ort der Mythen. Auf Zypern treffen sich Orient und Okzident. Und die alten griechischen Sagen werden wieder lebendig. Wenn man sich die Zeit nimmt und richtig hinguckt. Zum Beispiel am “Petra tou Romiou”, dem Aphrodite-Felsen. Hier soll Aphrodite, die schaumgeborene Göttin der Liebe, dem Meer entstiegen sein. Auch die Moderne hat ihre Legenden: Wer gegen Mitternacht nackt um den Felsen schwimmt, bleibt ewig jung, heißt es.
Begegnung mit dem Trodos-Gebirge
Die detailgenauen, bunten Mosaike im “Haus des Dionysos” in Paphos – von der Unesco als “Weltkulturerbe” eingestuft – zeugen ebenfalls von der Vergangenheit. Fast immer geht es um unglückliche Liebe, um Paare, die nicht zueinander finden. “Die Seele einer Frau ist ein Abgrund”, sagt Reiseleiterin Myria und zwinkert dabei verschmitzt mit ihren braunen Augen. Nur der glatzköpfige, sonnenverbrannte Brite, der laut grölend mit nacktem Oberkörper an den Steinbildern vorbei schlendert, stört ein wenig. Er passt eigentlich eher auf das touristische Piratenschiff, das jeden Tag um 11.30 und 21 Uhr vom Hafen in Paphos ablegt, als in dieses Museum.
Geheimnisvolles Zypern
Dem ursprünglichen, geheimnisvollen Zypern, fern ab vom Strandtrubel zwischen Bungeejumping und Bananaboat-Riding, kann man auch im Troodos-Gebirge begegnen. Auf dem Weg dorthin lohnt sich ein Abstecher nach Kourion, der eindrucksvollsten Ruinenstadt im Süden Zyperns. Ihre Blütezeit hatte die von Archäern gegründete Siedlung unter den Ptolemäern und Römern. Nach den Überfällen der Araber wurde die Stadt im siebten Jahrhundert verlassen. Heute erstrecken sich die Ruinen über ein Felsplateau, das auf drei Seiten 70 Meter tief abfällt. Am beeindruckendsten ist das 3500 Zuschauern Platz bietende Amphitheater, wo auch jetzt noch Theaterstücke gespielt werden.
Zuhause bei den griechischen Göttern
Im Weinort Omodos finden wir ein Postkartenidyll: weiße, windschiefe Häuser mit blauen Türen und roten Geranien, auf Treppen schlafende Katzen und stickende Frauen. Das Bild jedoch hat kleine, kommerzielle Risse: Wer die Frauen fotografieren will, muss einen kleinen Obolus zahlen.
Olymp heißt der mit 1951 Metern höchste Gipfel des Troodos-Gebirges. Olymp, wie der Wohnort der griechischen Götter. Gut anderthalb Stunden dauert die Wanderung über den Naturlehrpfad zum Kaledonia-Wasserfall, vorbei an Kiefern und Schwarzpappeln. Der Weg bietet Spaziergängern auch im Hochsommer genug Schatten. Zypern gehört zu den waldreichsten Mittelmeerinseln, auf 18 Prozent der Landesfläche wachsen Bäume, vor allem Kiefern.
In Kakopetria (griechisch für “nutzloser Felsen”), einem Dorf mit noch ursprünglichem Charme, machen wir Rast und essen “Mezze”. Was in anderen Ländern als gemischter Vorspeisenteller auf den Tisch kommt, ist auf Zypern gleich ein ganzes Menü: Oliven, Paprika, Halloumi (ein gebackener fester, weißer Käse, den es inzwischen auch in Deutschland zu kaufen gibt), mit Reis gefüllte Weinblätter, Hummus (eine Sauce aus Kichererbsen, Knoblauch, Olivenöl und Zitronensaft), die Sesam-Tunke Tahina, Sardellen, Garnelen, Fleischbällchen – wir kämpfen mit rund 20 Schälchen. Nicht zu vergessen, die köstlichen zypriotischen Weine.
Die Hoffnung bleibt
Unsere Reiseleiterin Myria hat aufgehört, antike Sagen zu erzählen, und ist bei der aktuellen Politik angekommen: “Unser Land ist viel zu klein, um geteilt zu sein”, sagt sie und blickt nachdenklich auf zwei alte Männer, die an einem kleinen Tisch Tavla spielen. Seit 1974 ist die Insel in einen griechischen und einen türkischen Teil gespalten, die Berührungspunkte sind seltener geworden, seitdem rund 60.000 Menschen vom türkischen Festland nach Zypern gezogen sind. Obwohl die Fronten zur Zeit verhärtet sind, glauben dennoch viele, dass irgendwann eine Vereinigung kommen wird. “Bei Euch hat es doch auch geklappt”, sagt Myria mit Blick auf die deutschen Touristen.
Die Hoffnung auf Frieden bleibt, und kaum etwas könnte dies besser symbolisieren als ein Abend an der Nissi Beach, einem der schönsten Sandstrände der Insel unweit von Ayia Napa. Überhaupt weht über fast allen Stränden der Insel die Blaue Flagge. Unser letzter Blick gilt dem türkis-blau schimmernden Meer, das wie ein ruhiger Teppich daliegt. Und wieder schlägt das Herz schneller.